Dr. Dr. Jens Holst, international consultant - health expert

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02.08.2023

Virchow-Preis für Global Health

Biomedizinische Einengung, finanzaristokratische Ermächtigung und postkoloniale Kontinuität

Jens Holst
Beim jährlich in Berlin stattfindenden World Health Summit verleiht das Virchow-Komitee seit 2022 den gleichnamigen Preis, und seit 2023 im Medizinhistorischen Museum in Berlin. Diese Ortswahl unterstreicht das beschränkte Global-Health-Verständnis der Virchow-Stiftung und einflussreicher Akteur*innen der globalen Gesundheit. Die Stiftung vergibt den Virchow-Preis nach eigenen Angaben für „akademische, politische, soziale oder wirtschaftliche bzw. industrielle Innovationen" und „befasst sich direkt mit den Beziehungen zwischen medizinischen, politischen, wirtschaftlichen und sozialen Determinanten der Gesundheit." Doch an diesem hehren Ziel sind erhebliche Zweifel angebracht. Denn abgesehen von der allgemeinen Dominanz naturwissenschaftlich-klinischer Bereiche der globalen Gesundheit sind die Initiator*innen des Virchow-Preises eher in der Biomedizin zu verorten und haben sich bisher nicht als Vertreter*innenr eines gesellschaftlichen und systemischeren Verständnisses von Gesundheit und Krankheit hervorgetan. An der Gründung der Virchow-Stiftung waren neben dem Initiator des jährlich in Berlin stattfindenden World Health Summit, in dessen Rahmen die Preisverleihung erfolgt, ein protestantischer Theologe und Professor für antikes Christentum und ein Paläoklimatologe, die sich bisher nicht erkennbar in der globalen Gesundheit hervorgetan haben, ein Cheflobbyist der deutschen Gesundheitsindustrie und Friede Springer, die Witwe und Erbin von Axel Cäsar Springer, beteiligt. Ihre Teilnahme ist ein weiterer Hinweis auf die Untergrabung zentraler Global-Health-Ziele wie Universalität und Gerechtigkeit durch die Finanzaristokratie. Virchow würde sich in seinem Grabe umdrehen, wenn er wüsste, wofür sein Name heute herhalten muss. Zeitlebens kämpfte er gegen Monarchie und Adel, für Sozialreformen und eine konstitutionelle Demokratie. Zweihundert Jahre nach Virchows Geburt sabotiert die nach ihm benannte Stiftung nun mit dem Virchow-Preis sein Erbe. Damit befördert sie die Usurpation der globalen Gesundheit durch die bisher beschönigend, nicht mehr korrekt als Philanthrokapitalismus bezeichnete Vorherrschaft der Finanzaristokratie. Der Kommentar von Jens Holst steht hier online zur Verfügung: Holst Virchow-Preis_für_Global_Health


Virchow Preisverleihung
Virchow Preisverleihung
Vischow-Stiftung